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Werner Kogler - Geht es den anderen gut, geht’s auch Dir besser.
Herr Kogler, was macht für Sie ein gutes Leben für Alle aus?
Ich bin überzeugt, dass ein gutes Leben für Alle auf den wichtigen grünen Grundwerten „solidarisch“, „selbstbestimmt“ und „ökologisch“ beruht. Das hat in jeder Hinsicht mit einer nachhaltigen und umsichtigen globalen Gesellschaft zu tun. Die Grünen sind auch die erste globale politische Bewegung, die das so umfassend versteht und in ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Handlungsvorschläge einbezieht. Das Revolutionärste dabei ist, dass das auch für alle Menschen gelten soll, die jetzt noch nicht geboren sind – also für die von vielen oft zitierten, aber in Wahrheit wenig beachteten „zukünftigen Generationen“.
Für die einzelnen Menschen gehört es wohl zum Wichtigsten, möglichst angstfrei leben zu können. Das bedeutet auch, eine positive Perspektive zu haben, Zufriedenheit, und zumindest teilweise auf erfüllte Lebensabschnitte zurückblicken zu können.
Die große Frage nach der Gerechtigkeit beantworten viele völlig unterschiedlich. Das mindeste, was mir notwendig erscheint, ist Chancengleichheit. Dafür musst Du jeden Tag eintreten und auftreten, weil es unter den gegebenen Verhältnissen sehr schwer erreichbar ist.
Global gilt es, das völlig ungerechte Wirtschaften, das offenkundig einer neuen kolonialen und imperialen Logik folgt, auf andere Beine zu stellen. Es muss zum Beispiel sofort Schluss damit sein, dass sogenannte Investoren aus den USA, China oder Europa in Afrika Landraub im großen Stil betreiben, systematisch die Landwirtschaft und die Fischerei zu Ungunsten der dort heimischen Bevölkerung zerstören. Und das noch mit Subventionen der alten „Herrenländer“.
Die physische Begrenztheit der Ressourcen des Planeten Erde wird dazu führen müssen, dass alles jenseits der alten, unintelligenten Wachstumszwänge zu organisieren. Sonst drohen neue gewaltsame Auseinandersetzungen in einer ohnehin immer labileren und kriegsbereiteren Welt.
Sie haben als stv. Klubobmann, stv. Bundessprecher, Finanzsprecher, Europasprecher und Abgeordneter zum Nationalrat viel politische Verantwortung. Vor allem beschäftigen Sie sich in Ihrer politischen Arbeit aber stark mit Fragen finanzieller Gerechtigkeit; Sie setzen sich für Korruptionsbekämpfung ein, gegen Freihandelsabkommen wie TTIP/CETA etc. Welche Art von Finanz- und Verteilungspolitik braucht es für ein gutes Leben für Alle?
Ein ausreichendes Einkommen für die Befriedigung der Grundbedürfnisse ist jedenfalls notwendig und möglich. Das heißt, es geht um ausreichende Mindestlöhne und zusätzlich um wesentlich mehr Steuergerechtigkeit. Gerade auch in Österreich. Es ist eine soziale Sauerei, dass Millionenerben und Milliardenstifter kaum etwas zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beitragen. Auch die notwendigen Transferzahlungen müssen sich an der sozialen Mindestabsicherung für alle orientieren. Im Ergebnis bedeutet das: Nicht nur ich, sondern auch meinE NachbarIn soll gut leben können und auch die Menschen auf anderen Kontinenten brauchen eine Entwicklungsperspektive über das bloße Überleben hinaus. Eben ein gutes Leben für Alle - möglichst bald und möglichst nachhaltig.
Aber auch hier spielt die ökologische Dimension, die zunehmend wieder vernachlässigt wird, unausweichlich eine immer wichtigere Rolle. Auch die Steuer- und Abgabensysteme müssen zum Umbau der Industriegesellschaft verwendet werden. Zur großen Zielerreichung braucht es auch hier natürlich einen gewissen internationalen Gleichklang, aber es können Maßnahmen auch regional und national vorangetrieben werden. Durchaus auch in Österreich.
Auch die Handelspolitiken haben das zu berücksichtigen. Primär geht es um gerechte und nachhaltige Produktionsbedingungen in allen Wirtschaftsstandorten auf dem Globus. Das heißt, dass gestaltete Globalisierung ökologischen, sozialen und Menschenrechtsbedingungen genügen muss. Entsprechende Mindeststandards zu erkämpfen ist also das Gebot der Stunde und nicht von irgendeinem pervertierten „Freihandel“ zu faseln, der häufig die himmelschreiend ungerechten Produktions- und Austauschbeziehungen und damit genau die damit verbundenen Unfreiheiten zementiert.
Sie haben sich im Rahmen Ihrer politischen Arbeit u.a. auch stark mit dem „Hypo-Krimi“ beschäftigt. Hat die Ausrichtung nach einem guten Leben für Alle in diesem Fall für Sie eine Rolle gespielt? Wenn ja, welche?
Na ja, der Hypo-Skandal ist ein spezieller Fall. Mit Sicherheit ist er das größte Finanzverbrechen der 2. Republik. Verursacht von einer unfähigen und korrupten Politik, die unfähige und korrupte Bankmanager bestellt hat, die anderen Korrupten und dem organisierten Verbrechen die Milliarden nachgetragen haben. Man hat den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen unter öffentlicher Beteiligung buchstäblich die Milliarden unter dem Hintern weggeklaut.
Ein gutes Leben für Alle und der solidarische Gedanke brauchen auch die Freiheit von organisiertem Diebstahl, organisiertem Verbrechen und von korrupten Entscheidungsträgern aller Art. Denn diese geklauten Milliarden fehlen ja auch dem Gemeinwesen. Zum verheerenden und demokratieschädlichen Vertrauensverlust kommt also auch noch ein echter finanzieller Verlust.
In diesem - für die meisten wohl unübersichtlichen - politischen und wirtschaftlichen Großkriminalfall empfehle ich besten Gewissens die Ergebnisse unserer Aufklärungsarbeit auf der Grünen Homepage nachzuverfolgen. Zumal es auch – entgegen der Behauptungen der Widersacher und vieler Bankmanager – eine Reihe von praktisch umsetzbaren Empfehlungen gibt. Hier der Link zum Bericht der Grünen über die Ergebnisse des Hypo-Untersuchungsausschusses: https://www.gruene.at/hypo
Was können einzelne Menschen tun, um einen Teil zu dieser Vision “gutes Leben für Alle” beizutragen? Welche Handlungsmöglichkeiten sehen Sie auf individueller Ebene? Welche Handlungsmöglichkeiten sehen Sie in Ihrer Arbeit als Politiker?
Auf individueller Ebene: sich interessieren, sich einmischen, sich stark machen für die Schwächeren in unserer Gesellschaft.
Als Politiker: Nicht aufgeben und die Welt jeden Tag ein Stück besser machen. Und die Lockerheit und den Optimismus nicht verlieren, damit die Kraft zur Veränderung weiter wächst.
Mit welchem Argument würden Sie einen Skeptiker/eine Skeptikerin davon überzeugen, dass es sich lohnt, sich für ein gutes Leben für Alle einzusetzen?
Ich würde einfach sagen: Geht es den anderen gut, geht’s auch Dir besser. Sich für ein gutes Leben für Alle einzusetzen, kann sich also auch für einen Skeptiker auszahlen. Es ein paarmal zu probieren, ist sicher besser als zu verzagen.
Vielen Dank für das Interview!
Werner Kogler ist stellvertretender Klubobmann, Stellvertretender Bundessprecher, Finanzsprecher, Europasprecher, Grüner Abgeordneter zum Nationalrat