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Rüdiger Maresch - Dazu braucht's die Grünen!
Wir Grüne sind jetzt in fünf Bundesländern in Regierungsverantwortung und vielleicht auch in der nächsten Bundesregierung nach den Wahlen im Oktober. Vielfach waren ganze Gebirge zu überschreiten um dort hinzukommen. Fest steht: Heute sind wir definitiv in den Mühen der Ebenen angekommen und die erste Euphorie bei uns und um uns verfliegt. Schon tauchen Sätze auf wie: „Die machen es auch nicht anders als die Schwarzen und die Roten“ (von den blauen und bräunlichen Abenteurern und rechten Gesellen, fast nur Männer, will ich nicht reden). „Die betonieren auch alles zu“ oder „Die schauen nur auf ihre Bobos und die RadlerInnen“ oder gar „wir Österreicher sind ihnen egal, immer nur die Ausländer“ wenn sich grüner Protest gegen die gängige österreichische Abschiebepraxis regt. Sicher ist, die Grünen regen auf, wie sich gerade in der Wiener Politik zeigt. Und das ist gut so. Die Verteidigung der Mindestsicherung, ein würdiger Umgang mit AsylwerberInnen, die Ankurbelung des sozialen Wohnbaus und eine ökologische Mobilitätspolitik sind wichtige Leitsterne grüner Politik in Wien
Die Verkehrswende als ökologische Notwendigkeit
Die Wiener Grünen sind nun seit mehr als sechs Jahren in Regierungsverantwortung. Mit dem Verblassen der Sozialdemokratie und dem Rechtsruck der Kurzpartei ÖVP ergibt sich ein weites Feld für linke Politik: Von den Vermögenssteuern und der Umverteilung über die Mindestsicherung bis zur Verkehrswende und der Rückereroberung des öffentlichen Raums. Aber auch die Wiener SPÖ verfolgte lange Jahre vor allem ihre Klientelpolitik. Ihr Sozialismus, wenn man ihn als solchen bezeichnen will, war Versorgung – eine Gemeindebauwohung, ein Job bei der Gemeinde, ein Opel Kadett und der dazugehörige Parkplatz auf der Straße. Diese Verkehrspolitik verbannte die FußgängerInnen auf immer schmalere Gehsteige oder in Unterführungen, Radfahren wurde zum Unikum, dem Autofahren gehörte die Straße, der Platz, eigentlich die Welt. Das Ganze wurde gar als klassenübergreifendes Wollen dargestellt - die Sucht nach dem Parkplatz, in Wirklichkeit gleich mehreren, ganz egal wo das Auto eben gerade hingesteuert wurde, galt als Grundbedürfnis. Der Stellplatz als Leitwährung in der Wiener Politik ganz egal ob bei SPÖ, ÖVP, FPÖ und immer wieder auch den NEOS. Das Fazit dieser Politik war, zwei Drittel des Straßenraums, der Löwenanteil der Ausgaben für Mobilität sowie die Liebe der Boulevardblätter gehört noch immer dem motorisierten Individualverkehr. Lärm, Abgase, Kostenexplosion beim Straßenbau, Erkrankungen der Atemwege weniger Lebenserwartung waren die Kehrseite dieser langjährigen Praxis
Die grüne Mobilität: ein sozialökologisches Projekt
Grüne Politik heißt ökologisch richtiges Verhalten zu fördern und ökologisch problematisches zu besteuern. In diesem Sinne war die 365€-Jahreskarte ein durchschlagender Erfolg. Von ursprünglich rund 150.000 BesitzerInnen im Jahre 2001 stieg die Zahl der JahreskartenbesitzerInnen auf heute rund 750.000. Das heißt es gibt mittlerweile in Wien weit mehr verkaufte Jahreskarten als angemeldete Autos. Gleichzeitig wurde das Parken in Wien teurer und die Parkraumbewirtschaftung massiv ausgeweitet – die Einnahmen fließen in den Öffentlichen Verkehr und Maßnahmen für FußgängerInnen und RadfahrerInnen. Der Autoverkehrsanteil an der Gesamtmobilität sank von 38% auf 28%. Er soll bis 2025 noch weiter sinken auf 20%. Das braucht natürlich beträchtliche Investitionen in Bahn, U-Bahn, Bus und Bim, genauso wie in Radwege und vor allem für Verbesserungen für FußgängerInnen. Nun sind die NutzerInnen des ÖVs in der Mehrheit Frauen, StudentInnen, MigrantInnen und ökonomisch Schwächere. Beim motorisierten Individualverkehr ist es umgekehrt. Grüne Politik ist gerecht und solidarisch. Sie führt zu sozialökologischer Umverteilung.
Rückeroberung des öffentlichen Raums
Straßen und Plätze sind seit vielen Jahrhunderten Orte des Austausches, der Gespräche und immer wieder der Kultur und der Demokratie. Für viele Menschen ist die Straße, der Platz das Wohnzimmer, für Kinder waren sie früher ein Paradies, ein Ort der Abenteuer. Heute ist dort Gefahr, Lärm und Gestank. Deshalb braucht es Verkehrsberuhigung, Tempo 30, Begegnungszonen und FußgängerInnenzonen in jedem Bezirk als Orte des Verweilens und der Lebensqualität, eben nicht nur eine neue „Mariahilferstrasse“.
Die neue Mariahilferstraße ist nicht nur eine Geschäftsstraße, nein dort trifft man Leute, dort lernen Kinder Radfahren, dort dominiert der soziale “Lärm“- Gespräche und nicht das Abrollgeräusch. Trotz aller Quertreibereien mancher FreundInnen des Automobils ist sie mittlerweile neben den 365€ der zweite Meilenstein geworden, der in ganz Europa Beachtung findet und für alle etwas bietet. Die Elemente sind Bäume, Wasserspielplätze und Sitzbänke; auch Schanigärten braucht es.
Noch immer gehören heute zwei Drittel des Straßenraums in Wien dem Auto, obwohl der Öffentliche Verkehr, Radfahren und Gehen insgesamt 73% der Mobilität ausmachen. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch unökologisch und widerspricht den notwendigen Klimaschutzmaßnahmen nach mehr Grün und weniger Hitzeinseln in der Stadt. Deshalb gibt’s noch viel zu tun. Dazu braucht es starke Grüne. Wir haben noch viel vor.
Rüdiger Maresch ist Verkehrssprecher der Wiener Grünen.