Gruß des Höhlenmenschen

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VON JÜRGEN AFFENZELLER
Denn am Grill darf der Mann noch das sein,
was er in vielen anderen Bereichen nicht mehr
verkörpert, und das kostet er heute immer
noch aus: Der „Höhlenmensch“, dem am
Grillrost der letzte Platz geblieben ist, um
mit dem rohen Fleisch in anarchische
Urinstinkte zurückzufallen.
Reist man zurück zu den „Ursprüngen“ des Grillens, landet man gut zwei Millionen Jahre in die Vergangenheit. Man stelle sich folgendes Szenario vor: Menschliche Urahnen wurden im heutigen Afrika von einem starken Gewitter heimgesucht. Angefacht durch Blitze und Wind entstand ein Buschfeuer, vor dem sie flüchten und erst nach dem Erlöschen der Feuersbrunst zurückkehrten. Dort findet man von den Flammen „gegrillte“ Tiere vor, die sich nicht vor dem Feuer in Sicherheit bringen konnten. Wer das Fleisch so probierte, stellte rasch fest, dass es viel schmackhafter, bekömmlicher war als das bisher immer roh verzehrte Fleisch. Der Anfang der Grill-Hysterie, wenn man das so sagen darf, war gemacht.
Status-Symbol Feueranzünden
Bis zum Aufstellen des hauseigenen Gartengrills und dem Anlegen peinlich illustrierter Schürzen sollte es aber noch so einige Jahrtausende dauern. Doch auch in der Antike, im alten Ägypten oder auch in Rom wurden zahlreiche „Grillabenteuer“ überliefert – mit gar skurrilen Gerichten: So sollen etwa neben Krokodilen und Hyänen auch Flamingos oder Siebenschläfer auf dem Speiseplan gestanden haben.
Und selbst die wilden Mongolen, die im 13. Jahrhundert durch die Steppen Ost- und Zentralasiens ritten, sollen sich durch die Mitnahme einer „mobilen“ Grill-Möglichkeit ausgezeichnet und so gestärkt haben. Als Christoph Kolumbus sich ab dem 15. Jahrhundert daran machte, die neue Welt zu erobern, fanden er und seine Nachfolger die Ureinwohner Amerikas, der Karibik und Südamerikas bereits – jawohl – grillend vor.
Im Laufe der Zeit ging man dazu über, das Fleisch nicht direkt über das offene Feuer zu halten, sondern seitlich davon zu garen. So verbrannte es nicht mehr so leicht, sondern blieb saftig und würzig. Für diese Zubereitungsart wurde die Bezeichnung „Barbecue“ (oder BBQ) salonfähig, der sich vom spanisch-mexikanischen Begriff „Barbacoa“ ableitete. Die Grillleidenschaft, wie wir sie kennen, entflammte nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA aus, in denen das Barbecue zum fixen Bestandteil des „American Way of Life“ gehörte. Damals wie heute war es der Mann, der am Grill das Sagen hatte. „Am Grill wird mit der Beute hantiert, die mit eigenen Händen in freier Natur zubereitet wird“, weiß Nina Degele, Professorin an der Freiburger Universität, die das Forschungsprojekt „Grillen und Lebensstil“ leitete und zu diesem Thema forscht. Die Männer am Grill führen sich in die Rolle des Jägers und „Höhenmenschen“ zurückversetzt. Degele spricht vom „wilden Mann, der für die Nahrungsaufnahme hart arbeiten muss und der für die Versorgung der ganzen Gruppe verantwortlich war.“ Auch die Rolle in der Gesellschaft wurde am Grill entschieden. „Wer Feuer anzündet, steht in der Sozialhierarchie ganz oben.“
Grillen betont Gemeinsamkeit
Warum Grillen gerade heute wieder so im Trend liegt, ist leicht erklärt: Das Grillen betont in einer sonst so schnelllebigen Zeit die Gemeinsamkeit und erinnert an Zeiten, in denen an Feuerstellen gemeinsam das Essen zubereitet und zu sich genommen wurde. Dazu kommt, dass Männer eher Dinge draußen tun, die sichtbar sind, dies sei prestigeträchtiger als die Arbeit hinter Fenstern und Türen“, betont Degele. Während aber der Mann am Grill der Chef ist und im Mittelpunkt des Geschehens steht, hält sich das Interesse in Grenzen, wenn es um die Zubereitung der Salate oder den Abwasch nach dem Grillen geht. Spätestens dann sind dann doch wieder die Frauen gefragt. Zeit für eine Feminismus-Debatte? Jederzeit, aber bitte nur nicht, wenn es ums Grillen geht. Nicht zuletzt, wo doch Frauen nachweislich ohnehin wenig Lust empfinden, am Grillrost zu stehen. Lassen wir „ihm“ doch den Spaß…